Was der Atem verrät: Mit Infrarotsensoren Krankheiten aufspüren

Europa und Internationales
14.07.2016
Erstellt von Universität Ulm, Annika Bingmann / BMBF-Projekt APOSEMA / VDI Technologiezentrum GmbH

Ulmer Chemiker erhalten Preis der britischen Royal Society of Chemistry für Forschungsarbeiten aus BMBF-Projekt APOSEMA.

„Einmal bitte ins Röhrchen pusten“: Was einigen Autofahrern aus Verkehrskontrollen bekannt sein dürfte, könnte zunehmend das Blutbild bei ärztlichen Untersuchungen ergänzen. Ulmer Wissenschaftler um Professor Boris Mizaikoff, Leiter des Instituts für Analytische und Bioanalytische Chemie (IABC), haben nämlich ein Verfahren zur Atemgasanalytik („μbreath“) entwickelt, mit dem sich verschiedenste Erkrankungen des Menschen – teilweise sogar vor dem Ausbruch – diagnostizieren lassen.

Für die anwendungsnahen Infrarotsensoren ist Boris Mizaikoff kürzlich von dem britischen Berufsverband „Royal Society of Chemistry“ mit dem zweiten Preis und 3000 britischen Pfund beim Wettbewerb „Emerging Technologies Competition“ in der Kategorie „Health and Wellbeing“ ausgezeichnet worden. Den ersten Platz belegten Forscher der schottischen Universität St. Andrews.

„Wir hätten uns nie träumen lassen, dass ein neues analytisches Verfahren, das wir erst vor drei Jahren im Fachjournal ,Analytical Chemistry‘ publiziert haben, heute schon einen Preis für anwendungsnahe Technologien erhält“, so der Ulmer Forscher. Die Juroren seien hochkarätige Vertreter aus der Pharmaindustrie, was auf das große Potential von μbreath schließen lasse. „Das Interesse in der Industrie ist groß: Schon jetzt erhalten wir zahlreiche Anfragen zu unserer Atemgasanalytik“, ergänzt Professor Mizaikoff.

Molekularer Fingerabdruck

„Der Stoffwechsel des Körpers wird in der Zusammensetzung der Atemluft reflektiert. Anhand winzigster Moleküle, die sich bei körperlichen Erkrankungen verändern, lassen sich nicht nur Krankheiten der Lunge, sondern auch der Leber, der Nieren sowie beispielsweise Brustkrebs in einem – mehr oder weniger – frühen Stadium diagnostizieren“, erklärt Professor Boris Mizaikoff.

Bisher war die Atemgasanalytik für durchschnittliche Arztpraxen jedoch zu teuer, denn die geringe Konzentration der Spurengase macht hochsensible Geräte nötig. Gemeinsam mit spezialisierten Unternehmen entwickelt Mizaikoff derzeit in dem europäischen Verbundprojekt „Advanced Photonic Sensor Materials - APOSEMA“ eine neue, kostengünstige Messmethode, die den Nachweis mehrerer Spurengase gleichzeitig in kleinen Probenvolumina ermöglicht.

Die sogenannte Infrarotspektroskopie läuft in einem hohlen Lichtwellenleiter ab – eine Entwicklung des IABC – in den die ausgeatmete Luft des Patienten gepumpt wird. In diesem Gemisch detektiert ein frequenz-abstimmbarer Laserstrahl „molekulare Fingerabdrücke“ von krankheitsspezifischen Biomarkern. Die gemessene Konzentration dieser Marker erlaubt womöglich sogar Rückschlüsse auf Krankheitsstadien sowie den Therapiefortschritt.

Ein weiterer Vorteil von μbreath: Die Lichtwellenleiter lassen sich in kleinsten Substraten und in Zukunft in winzige Chips integrieren und sind somit vielseitig einsetzbar. Eine Einschränkung gibt es derzeit noch: „Veränderungen des Atemgases können auch nicht-krankhafte Ursachen haben – zum Beispiel durch die Ernährung bedingt. Um Messfehler zu vermeiden, sollte unser Sensor in der medizinischen Diagnostik zunächst mit einer weiteren Methode gekoppelt werden“, sagt Boris Mizaikoff.

Die Messmethode wird derzeit unter der Leitung von Mizaikoff im Zuge des APOSEMA-Projekts weiterentwickelt, das auf deutscher Seite durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des EU-Programms M-ERA.NET gefördert wird. Das Projekt ist im Dezember 2014 gestartet und läuft noch voraussichtlich bis Ende November 2017. Neben dem Institut für Analytische und Bioanalytische Chemie sind noch vier hochspezialisierte Unternehmen aus Deutschland und Österreich beteiligt.

Kontakt

Prof. Dr. Boris Mizaikoff
Universität Ulm
Institut für Analytische und Bioanalytische Chemie
Tel.:0731/50-22750,
boris.mizaikoff(at)uni-ulm.de