Plasmatechnik – das ist die Anwendung ionisierter Gase, also energiereicher, elektrisch leitfähiger Teilchengemische aus Atomen, Ionen, Elektronen und Molekülen. Wie Plasma bei der Heilung von chronischen Wunden oder bei Hautkrankheiten, in der Zahnmedizin oder gar bei Krebs helfen kann, darüber informierte sich vergangenen Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel im Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) Greifswald.
Institutsleiter Klaus-Dieter Weltmann führte Angela Merkel durch die Labore. Die Greifswalder Forscherinnen und Forscher gaben der Kanzlerin einen Einblick in die Bedeutung von Plasmatechnologien im Life-Science- und im High-Tech-Bereich. So wird Plasma im Flugzeugbau eingesetzt, damit sich Materialien verbinden können, was eine höhere Stabilität verspricht. Plasmatechnologien liefern auch die Grundlage für robuste Schalter für die Hochspannungs-Gleichstromübertragung – und damit für die Netzanbindung von Offshore-Windparks oder den Stromtransport von Nord- nach Süddeutschland.
Weltspitze bei der Erforschung von kaltem Plasma
In den Neunzigerjahren bewiesen Forscher erstmals, dass sich „kalte“ Plasmen bei Atmosphärendruck erzeugen lassen. In dem Verfahren wird dem Gasgemisch gerade so viel Energie zugeführt, dass nur Elektronen, nicht aber größere elektrische Ladungsträger in Bewegung versetzt und damit mehrere Tausend Grad heiß werden. So lässt sich die Temperatur des Plasmas auf Raumtemperatur einstellen.
Das INP in Greifswald ist international mit führend in der Erforschung und Anwendung dieser Niedertemperaturplasmen. Auch Bundeskanzlerin Merkel unterstrich bei ihrem Besuch diese Exzellenz und betonte, dass die Arbeit in Greifswald zur „Weltspitze“ gehöre.
Hotspot Plasmamedizin
Der medizinischen Anwendung von kaltem Plasma kommt am INP wachsende Bedeutung zu. Das Plasma verlangsamt das Wachstum von Bakterien erheblich – ein vielversprechender Zugang zur Behandlung chronischer Wunden oder um der Entzündung einer OP-Wunde vorzubeugen. Darüber hinaus könnte Plasma das Wachstum von Karies auslösenden Bakterien im Zahnschmelz stoppen oder Entzündungen an Implantaten verhindern. Der Einfluss des kalten Plasmas ist auch an Krebszellen nachweisbar. Hier erforschen die Greifswalder Experten noch die Grundlagen. Sie sehen in der Onkologie ein großes Potenzial für Plasmamedizin.
Von der Forschung in die Anwendung
Aus den Projekten zur Plasmaforschung des INP sind die Spinoffs neoplas bzw. neoplas tools hervorgegangen. Die Firma neoplas vertreibt den „kINPenMed“ für Plasmabehandlungen der Haut, der bereits eine Zulassung als Medizinprodukt erhalten hat. Wie dieser weltweit erste Plasmajet funktioniert, davon konnte sich auch Bundeskanzlerin Merkel bei ihrem Besuch überzeugen.
Bundesforschungsministerium unterstützt die Spitzenforschung am INP
Das INP Greifswald gehört der Leibniz-Gemeinschaft an. Die Grundfinanzierung des INP in Höhe von ca. 8 Mio. Euro p.a. (2016) wird je zur Hälfte von Bund und Ländern aufgebracht. Darüber hinaus wird das Institut im Norden der Republik allein seit 2008 rund 36 Mio. Euro an Fördergelden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erhalten. Schwerpunkte waren das Zentrum für Innovationskompetenz plasmatis und der Campus PlasmaMed.
Aktuell laufen Projekte mit einer Gesamtzuwendung von rund 7 Mio. Euro. Im Bereich der Plasmamedizin stehen wissenschaftliche Grundlagen und die Vernetzung mit klinischen Anwendern im Mittelpunkt; im Bereich der optischen Beschichtungen arbeitet das INP mit Industriepartnern im Verbundprojekt PluTO+ zusammen.