"Öffentliche Projektförderung kann jungen Technologien wichtige Möglichkeiten eröffnen"

Integrierte Optik
12.07.2021
Erstellt von Photonikforschung Deutschland

In unserer neuen Interviewreihe stellen wir spannende Persönlichkeiten vor, die den Schritt heraus aus der Forschung gewagt und ein Unternehmen gegründet haben. Mit Matthias Schmitz haben wir über die Gründung von K | Lens und das Forschungsprojekt PLIMASC gesprochen.

© jd-photodesign - stock.adobe.com
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Herr Schmitz, wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens K | Lens?

Mein Mitgründer Ivo Ihrke hat damals am Max-Planck-Institut für Informatik und der Universität des Saarlandes eine Forschungsgruppe zum Thema Lichtfeldtechnik geleitet. Diese Gruppe hatte eine optische Komponente entwickelt, die zwischen jede Standardkamera und jedes Standardobjektiv integriert werden kann. Zusammen mit der passenden Software verwandelt diese Komponente jede Kamera in eine Lichtfeldkamera. Der Wunsch war, diese optische Technologie zu konkreten Produkten weiterzuentwickeln, und zwar zunächst für den Consumer- bzw. Prosumer-Markt im Bereich Fotografie und Video.  

Hier in Saarbrücken gibt es mit dem IT-Inkubator ein Instrument, das Forschungsergebnisse in die Anwendung bringt und Unternehmensgründungen auf dieser Basis ermöglicht. Dort hat sich 2016 das Gründungsteam für K | Lens gefunden.

Und wie ging es dann weiter?

Innerhalb des Inkubators ging es zunächst darum, ein passendes Geschäftsmodell zu entwickeln und einen geeigneten Markt zu definieren. Außerdem haben wir die Ausgründung vorbereitet, das heißt einerseits ein Team zusammengestellt und andererseits die Finanzierung geplant. Wir befanden uns damals noch auf einem sehr niedrigen Technology Readiness Level und es war klar, dass bis zu konkreten Produkten hardware- und softwareseitig noch große Weiterentwicklungen nötig sein werden. In dieser Phase haben wir uns dann auch beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) um eine Förderung im Rahmen des Programms Photonik Forschung Deutschland in der Fördermaßnahme Digitale Optik beworben. Damit hatten wir Erfolg und das Projekt PLIMASC ging an den Start.

Was waren Ihre Erfahrungen mit der Projektförderung und inwiefern war diese Förderung wichtig für die Unternehmensgründung?

Für uns war es eine große Chance, in diesem Rahmen unsere Technologie zu diesem frühen Zeitpunkt vorzustellen. Es war sehr wertvoll, mit dem BMBF und dem zuständigen Projektträger über konkrete Anwendungen, mögliche Zielsetzungen und passende Partner für das Projekt zu sprechen. Für uns war das alles Neuland und wir waren dankbar, zu unserer Idee hilfreiche Rückmeldungen und Vorschläge zu bekommen – insbesondere mit Blick darauf, welche Kompetenzen wir über welche Verbundpartner mit ins Boot holen sollten. Das war ein guter, iterativer Prozess, der dazu geführt hat, dass wir PLIMASC schließlich starten konnten. Ungefähr Mitte 2017 hatten wir dann auch die nötige Finanzierung für die eigentliche Unternehmensgründung beisammen – unter anderem durch einen Venture Capital Investoren, den die BMBF-Förderung in seiner Entscheidung bestärkt hat, in unser Unternehmen zu investieren.

Mit PLIMASC haben wir die Basistechnologie geschaffen für alles, was wir bei K | Lens jetzt nutzen und in Zukunft nutzen werden – und zwar sowohl bezogen auf die optische Komponente als auch auf die Software. Auf dieser Basis entwickeln wir jetzt Lösungen für konkrete Anwendungen. Insgesamt kann man daher durchaus sagen: Hätte es PLIMASC und die damit verbundene Förderung nicht gegeben, gäbe es auch unser Unternehmen heute vermutlich nicht.  

Welche Anwendungsgebiete adressieren Sie und warum sind diese für die Öffentlichkeit interessant?

Passend zu der Zielsetzung von PLIMASC haben wir uns in der ersten Unternehmensphase auf den Prosumer-Markt konzentriert. Es geht darum, eine Technologie zur Marktreife zu bringen, die beim Fotografieren und Filmen mit einer einzigen Kamera 3D-Informationen aufnimmt und verarbeitet. Gerade im Bereich professioneller Fotografie und Videografie gibt es bisher keine geeignete Lösung, für die man nicht mehrere Kameras bzw. Stereokameras braucht. Als wir anfingen, gab es auch noch keine Smartphones mit Dualkameras. Diese werden mittlerweile zwar von vielen Endkundinnen und -kunden genutzt, für den Highend- und Profibereich fehlen aber weiterhin geeignete Instrumente.

Und welche Lösung bieten Sie dafür?

Wir installieren ein Zwischenstück zwischen einem Standard-Hauptobjektiv und einer Standardkamera. Darin befindet sich ein innen verspiegelter Tunnel ähnlich einem Kaleidoskop. Wenn ich damit eine Szene aufnehme, fallen Lichtstrahlen, die normalerweise in einer Ebene gebündelt werden, durch diese Ebene hindurch und in die Spiegel hinein. Dadurch werden die Richtungsinformationen des Lichts voneinander getrennt und in den Spiegeln entstehen leicht unterschiedliche Perspektiven derselben Szene. So erhalte ich drei Mal drei Bilder derselben Szene, als würde ich sie durch neun Kameras gleichzeitig beobachten.

Die dazugehörige Software besteht aus drei Modulen: Das erste Modul liest die Daten aus, und nimmt dabei umfangreiche Fehlerkorrekturen vor. Das zweite Modul berechnet die Tiefeninformationen der Szene. Das dritte Modul macht die Tiefeninformationen für verschiedene Anwendungen nutzbar. Damit kann man dann die Bilder auf 3D-Displays anzeigen, aber auch 2D-Bilder umfangreich bearbeiten. Zum Beispiel kann ich nachträglich Fokus und Beleuchtung im Bild verändern oder Elemente auf Basis der Tiefeninformationen freistellen, was die Nutzung von Greenscreens in der Zukunft überflüssig machen kann.

Wo steht das Unternehmen heute und was sind die nächsten Schritte?

Wir sind in der Zwischenzeit von sechs auf etwa 30 Mitarbeitende gewachsen und konnten 2020 unsere zweite Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen – mit weiteren Investoren und einem zweiten großen öffentlichen Projekt, diesmal auf EU-Ebene. Dieses Projekt zielt darauf ab, unsere Technologie auch für die Industrie zur Anwendung zu bringen, somit ist ein zweiter Markt hinzugekommen. Aktuell entwickeln wir also für beide Märkte die Technologien weiter. Ende 2021 soll unser erstes Produkt für den Fotomarkt vorbestellbar sein, hier ist die Entwicklung sehr weit. Im Bereich Video haben wir zwar bereits gute Prototypen, können aber noch nicht von perfekter Produktreife sprechen. Diese halten wir aber bis Auslieferung unserer Produkte im zweiten Quartal 2022 für machbar. Generell ist für uns wichtig, jetzt zeitig den Markteinstieg zu schaffen. An Ideen für Weiterentwicklungen mangelt es uns aber nicht.

Welche Hindernisse gab und gibt es auf dem Weg, was lief anders als geplant?

Da wir selbst aus dem Softwarebereich kommen, war uns nicht bewusst, wie komplex die Entwicklung von Hardware sein und wie lange sie daher dauern kann. Außerdem haben wir zum Teil unterschätzt, wie unterschiedlich verschiedene Institutionen arbeiten. In der Praxis bringt vor allem die Zusammenarbeit eines Start-ups mit großen Forschungseinrichtungen Herausforderungen mit sich, einfach weil die Prozesse und somit auch die Zeithorizonte zum Teil sehr unterschiedlich sind.

Was empfehlen Sie anderen Gründerinnen und Gründern?

Ich würde auf jeden Fall empfehlen, sich die Möglichkeiten öffentlicher Förderung und offene Ausschreibungen anzuschauen und zu prüfen, ob davon etwas zur Unternehmensidee passt. Das kann als zusätzliche Finanzierungsquelle viele Möglichkeiten eröffnen – gerade, wenn die eigene Technologie noch ein ganzes Stück von der Produktreife entfernt ist. Bei der Zusammenstellung eines Projektverbundes sollte man dann darauf achten, die komplette Wertschöpfungskette mit passenden – idealerweise kommerziellen – Partnern abzudecken. Außerdem sollte man bereit sein und sich darauf einstellen, das eigene Geschäftsmodell immer wieder anzupassen. Bei uns hat zum Beispiel die Weiterentwicklung der Smartphones einiges durcheinandergebracht und wir mussten und müssen uns immer wieder neu erfinden, was aber auch neue Chancen bietet.

Was motiviert Sie persönlich?

Ich selbst komme nicht aus dem technologischen Bereich, sondern schaue sozusagen durch die betriebswirtschaftliche Brille. Mich hat es nach vielen Jahren in der Beratung und als angestellter Geschäftsführer vor allem gereizt, eigenständig und eigenverantwortlich ein Unternehmen aufzubauen und weiterzuentwickeln. Ich habe auch den Eindruck, dass es für die Unternehmensentwicklung ein Vorteil war, dass ich diese Perspektive von Anfang an mit eingebracht habe. Sicher auch noch eine Empfehlung für Gründungen auch im technologischen Bereich: Das Gründungsteam breit aufzustellen und unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen.

Matthias Schmitz

Nach dem Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität des Saarlandes sowie dem juristischen Referendariat beriet Matthias Schmitz bei PwC Unternehmen bei der rechtlichen und operativen Gründung. 2013 wechselte er in die Geschäftsführung des Asset Management Start-ups European Value Partners (heute Mensarius). Diese Aufgabe führte er nach einer internen Restrukturierung im Unternehmen ECP fort und war dort vor allem für den operativen Aufbau verantwortlich. 2016 gründete Schmitz zusammen mit seinen technischen Mitgründern die K | Lens GmbH und verantwortet seitdem dort als Geschäftsführer die Bereiche Geschäftsplanung und -entwicklung, Finanzen, Sales & Marketing, Recht und Gesamtprojektleitung. Das Unternehmen hat mittlerweile zwei Finanzierungsrunden abgeschlossen und ist auf 30 Mitarbeitende gewachsen. Zusätzlich zur Förderung durch das BMBF im Programm Photonik Forschung Deutschland wurde das Unternehmen 2020 in den EIC Accelerator der Europäischen Union aufgenommen.

Weitere Ausgaben

Unsere Interviewreihe erzählt themenübergreifend Gründungsgeschichten aus der Photonik und den Quantentechnologien. Eine weitere Ausgabe mit Guilin Xu zur Gründung von Nanoscale Glasstec finden Sie hier. Außerdem haben wir mit Martin Hermatschweiler von Nanoscribe und mit Kevin Füchsel von Quantum Optics Jena gesprochen.